
Lippen-, Kiefer-, Gaumen- und Nasenfehlbildungen
Der klinische Schwerpunkt Lippen-, Kiefer-, Gaumen- und Nasenfehlbildungen besteht seit 1995. Dr. Koch und sein Team sind ausschließlich in diesem Spezialgebiet tätig und betreuen Sie und Ihr Kind von der Diagnosestellung an bis in das Erwachsenenalter, ambulant wie stationär. Für alle Fragen und Probleme (auch bei Schwangeren) sind sie die ersten Ansprechpartner.
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"Es ist eine schwere Zeit, kein schweres Leben"
Wenn Sie die Diagnose LKG-Spalte und/oder PRS oder Gesichtsfehlbildung erhalten haben, geht für Sie vielleicht gerade die Welt unter. Sie fühlen sich hilflos und ohnmächtig. Und an dieser Stelle möchten wir uns am liebsten sofort mit Ihnen treffen, um uns mit Ihren Sorgen auseinanderzusetzen.
So schlimm es im Moment auch ist, es ausgerechnet Sie betrifft, Sie sind nicht die Einzigen. Sprechen Sie mit uns, die Welt geht nicht unter.
Charité Arbeitsbereich Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKG) behandelt und betreut ausschließlich Patienten mit Gesichtsfehlbildungen vom Moment der Diagnosestellung bis ins Erwachsenenalter.
Die häufigsten Fehlbildungen sind LKG-Spalten und Pierre-Robin-Sequenz.
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

Die Therapie der LKG-Spalten ist primär chirurgisch. Mit der Chirurgie ist es möglich, die normale Anatomie und damit die Funktion des normalen Sprechens, Atmens, Essens und des Aussehens zu erschaffen.
Hauptproblem der Chirurgie im Kindesalter ist jedoch, dass man einerseits – zugunsten einer normalen Sprechentwicklung - so früh wie möglich, d. h. innerhalb des ersten Lebensjahres, wegen Wachstumsstörungen jedoch so spät wie möglich operieren sollte. Dies stellt ein Dilemma dar, dem sich die Chirurgen stellen müssen und zum Glück stehen sie nicht alleine dar, weil sie Hilfe und Unterstützung vonseiten der Logopädie, Pädaudiologie/Phoniatrie, HNO und Kieferorthopädie bekommen, die die Kinder auf die Chirurgie vorbereiten und nach der Operation die funktionelle Entwicklung: Sprechen, Wachstum entscheidend mitprägen.
Der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Operationen bestimmt die Ausdehnung der Spalte bzw. die Stellung der Kiefersegmente. Aber: Eine primär sehr breite Spalte muss nicht unbedingt schwerer zu korrigieren sein als eine „schmale“ Spalte. Im Gegenteil, auch isolierte bzw. kleine Lippenspalten können eine chirurgische Herausforderung darstellen.
Auch aus diesem Grunde gehören diese Operationen zu den schwierigsten weltweit – man spricht auch von einer 4. Dimension –, weil z. B. neben der Schönheit der Lippe auch die Nase – begrenzt durch die operative Einschränkung im Kindesalter – angehoben werden sollte.
Bei Gaumenverschlüssen geht es nicht nur darum, die Nasenhöhle von der Mundhöhle zu trennen, sondern gleichzeitig zwei getrennte Nasengänge zu schaffen und die für das Sprechen notwendige Muskulatur von ihrem falschen Ansatz zu lösen und anatomisch korrekt zu positionieren.
Wir gehen primär davon aus, dass die Kinder mit isolierten LKG-Spalten im eigentlichen Sinne gesund bzw. keine Patienten sind, und tun alles, damit sie die bestmögliche operative Versorgung und Unterstützung bekommen und sich altersentsprechend entwickeln können. Bei Kindern mit Zusatzfehlbildungen und Syndromen geht es darum, dass sie die spaltbedingten Probleme überwinden und sich innerhalb ihrer Fehlbildungen/Syndrome optimal entwickeln können. Gerade diese Kinder überraschen uns immer wieder.
Wir versuchen immer unsere Fähigkeiten weiterzuentwickeln und vergleichen uns ständig mit anderen, um eventuelle Verbesserungen für unsere Patienten nicht zu verpassen. Was die operativen Methoden angehen, so wurden diese bereits von den Pionieren der Spaltchirurgie soweit optimiert (Veau, Langenbeck, Rosenthal, Stellmach, Millard, Koch, Mulliken, Bitter), dass sie bei richtiger Anwendung und guter Vorbereitung immer noch die besten Resultate hervorbringen.
Die meisten Fortschritte kommen in der Spaltbehandlung eher von der kieferorthopädischen Seite. Zu denen gehört die sogenannte „vorchirurgische Kieferorthopädie“, mit der die breiten oder verschobenen Kiefersegmente eingeordnet werden können, um damit die Voraussetzungen für die nachfolgenden Operationen zu verbessern. Denn die gesamte Spalte wird optimalerweise ausschließlich durch Mobilisierung von Weichteilen aus der unmittelbaren Nachbarschaft verschlossen und je günstiger die Stellung der Spaltsegmente umso schonender und funktionell günstiger kann man operieren.
Neben der althergebrachten Gaumenplatte, mit der die Zunge aus der Spalte ferngehalten wird, wurde vor ca. 30 Jahren das sogenannte Nasoalveolar molding (NAM) entwickelt, um die Nasenspitze anzuheben und die Spaltsegmente einzuordnen. Sie erfreut sich weltweiter Anwendung. Wir haben uns die Methode sehr genau angeschaut und uns dagegen entschieden, weil wir einerseits die Nasenspitze auf jeden Fall operativ anheben werden.
Aber vor allem hat diese Methode bei doppelseitigen Spalten den großen Nachteil, dass beim Einordnen des Zwischenkiefers die Nasenscheidewand derart verkrümmt werden kann, dass es nicht gelingt, symmetrische Nasengänge zu bilden und somit Nasenatmungsbehinderung hervorruft. Deshalb haben wir die Prämaxilla-Vomer-Platte (PMVP) entwickelt, mit der wir den Zwischenkiefer, die Nasenscheidewand und die seitlichen Segmente kontrolliert gerade einordnen können.
Ob und welche Platte(n) für Ihr Baby in Frage kommt, wird nach der Geburt bzw. im Laufe der ersten Wochen gemeinsam mit Ihnen entschieden. Was die operativen Techniken betrifft, müssen Sie sich in die Hände der Ärzte Ihres Vertrauens begeben, denn als Laie und vor allem als „Eltern“ kann dies bei der Vielfalt der angebotenen Therapieoptionen extrem schwierig werden.
Pierre-Robin-Sequenz
Eine 2. Behandlungsmethode, die wir optimieren konnten, betrifft Neugeborene mit Pierre-Robin-Sequenz (PRS). PRS ist eine angeborene oder intrauterin mechanisch entstandene Rücklage des Unterkiefers, die mit einer Gaumenspalte auftreten kann. Sie kann isoliert oder mit zusätzlichen Fehlbildungen bzw. Syndromen vergesellschaftet sein.
Das alarmierendste bei PRS ist die damit verbundene Zungenrücklage, die den nasalen Luftweg versperrt und damit für Neugeborene (die ausschließlich Nasenatmer sind) lebensbedrohliche Verlegung der Atemwege, Schluckstörung und schwierige Narkose hervorrufen können. Daher hat schnelles Handeln direkt postnatal die oberste Priorität, um sauerstoffbedingte und auf Dauer die allgemeine Entwicklung betreffende Schäden von vornherein abzuwehren. Und dies kann nur in dafür ausgerüsteten Zentren erfolgen.
In diesem Zusammenhang bekommt die Pränataldiagnostik eine besonders hohe Wertigkeit, weil sie dafür Sorge trägt, dass die Geburt und anschließende Versorgung unter optimalsten Bedingungen stattfinden kann. Denn: nur eine schnelle wirksame Behandlung, die die atmungsbedingten Probleme aufhebt, schützt vor sogenannten „Kollateralschäden“.
Und daher gilt entweder
- bei pränataler Diagnostik Geburt in einer Spezialklinik bzw.
- sofortige Verlegung in eine Spezialklinik nach der Geburt und
- die beste und schonendste Therapieeinleitung
Weltweit existieren unterschiedliche Behandlungsarten – basierend auf Ausstattung und Erfahrung der gewünschten Einrichtungen.
Diese sind:
- Bauch- und/oder Seitenlage
- sogenannter NPL (nasopharyngealer Luftweg) → nasale Röhrchen, die bis zum Zungengrund reichen und damit die Atemwege freihalten
- oder chirurgische Methoden
Diese sind:
- das Annähen der Zunge an die Unterlippe
- das Einbingen von „Distraktoren“, diese sind kieferchirurgisch-orthopädische Apparate, die den Unterkiefer allmählich nach vorne bringen, d. h. keine sofortige Abhilfe schaffen können, und
- der sogenannte Luftröhrenschnitt (Tracheotomie), das die betroffene Region in Gänze umschifft.
Alle diese 3 Methoden bedürfen einer Narkose und haben den Nachteil, dass sie zwar die Atemwege freimachen, jedoch nicht die zugrunde liegende deplatzierte Anatomie (Unterkieferrücklage, Zungenrückfall) korrigieren, was sie bis ins Erwachsenenalter mit „schwierigem Atemweg“ macht.
Der engagierte und hingebungsvolle Mediziner Pielou hat 1969 eine kieferorthopädische Apparatur entwickelt, die auf nicht chirurgische, schonende Art die Unterkieferrücklage korrigiert und die Zungenlage normalisiert, wodurch auch die Schluckstörung und damit verbundenes lebensgefährliches „Verschlucken“ aufgehoben wird.
Diese sogenannte Preepiglottische Platte (PEPB) verwenden wir seit 13 Jahren ausschließlich und erfolgreich bei allen Kindern mit PRS. Sie wird von Eltern und Neugeborenen gleichermaßen gut toleriert.
Die Behandlung erstreckt sich über 3 – 6 Monate und ist mit dem Verschluss der Gaumenspalte bzw. Korrektur der Unterkieferrücklage abgeschlossen. In dem Video können Sie die unmittelbare Wirkung der Platte beobachten.
Wir sind vom Wirkungserfolg dieser PEBP überzeugt und können sogar behaupten, dass sie Kinder mit PRS in Kinder mit isolierter Gaumenspalte verwandelt.
Zusammenfassung
LKGN-Fehlbildungen können isoliert auftreten oder mit anderen Fehlbildungen bzw. Syndromen vergesellschaftet sein, die evtl. nicht unmittelbar nach der Geburt feststellbar sind.
Deshalb gehören diese Kinder in ein Behandlungszentrum mit Maximalversorgung, in dem alle erforderlichen Fachdisziplinen vertreten sind. Gerade, wenn es um zusätzliche Fehlbildungen geht, kann eine adäquate Frühförderung bzw. Therapie dafür sorgen, dass sich diese Kinder optimal entwickeln können.
Das Sozialpädiatrische Zentrum, dem wir mit angehören, bietet die gesamte Palette zusätzlicher Fachdisziplinen, damit die Kinder ganzheitlich betreut und beurteilt werden können.
Zum engeren Kreis unseres Zentrums gehören neben Dr. Koch:
Dr. Ayse G. Schmidt, Fachärztin und stellv. Abteilungsleiterin
Prof. Carsten Matuschek (medizinischer Ingenieur) www.proepi-institut.de
Kerstin Löffler (Kinderkrankenschwester für Pädiatrische Intensivmedizin, Case-Managerin)
Christa Hunn-Stohwasser (Logopädin)
Karola Ost (Sekretärin)
Ulrike Giebel (Ernährungsberaterin)
Dr. med. Freiherr von Gregory (extern, Facharzt für Ästhetische und Plastische Chirurgie)
Das Team kümmert sich vom Moment der Diagnose an ganzheitlich um die gesamten Belange und veranlassen alles Notwendige.
So immens wichtig die Chirurgie einerseits ist, mindestens genauso wichtig ist die dauerhalte Akzeptanz, Aufnahme und Begleitung der betroffenen Familien mit ihren unterschiedlichsten, individuellen Bedürfnissen, die durch dieses Team gewährleistet wird – bis die Kinder „heiraten“.